(Ballif 1893: 6-11)
"Construction der römischen Strassen.
Bevor ich zur Einzelbeschreibung der Strassenzüge übergehe, erscheint es zweckmässig, dem Leser jene Principien vor Augen zu führen, die bei der Anlage und dem Baue der Römerstrassen in Bosnien-Hercegovina massgebend waren.
Den Römern standen weder Terrainkarten, noch hypsometrische Instrumente zur Verfügung. Dennoch haben sie überall, wo ich ihre Strassen auffand, sowohl die günstigsten Gebirgsübergänge, als auch nach Thunlichkeit die kürzeste Linie zu ermitteln verstanden.
Die beiden antiken Uebergänge über die dinarischen Alpen bei Stožište und auf dem Prolog werden auch von den heutigen Strassen benützt. An dem dritten, in der Einsattlung von Aržano gelegenen Uebergangspunkt wird einst die projectierte Bahn aus Bosnien nach Spalato die Alpenkette überschreiten. Auf dem Sattel der Crljevica fällt die Trace der gegenwärtig projectirten Strasse mit jener der Römerstrasse zusammen; der antike Uebergangspunkt über die Borova glava nächst Livno ist sogar günstiger gewählt als jener des gegenwärtig bestehenden Strassenzuges.
Wo es ohne allzu grosse Umwege möglich war und das Terrain es erlaubte, erhielten die Strassen ein gleichmässiges Gefälle. Das beweisen z. B. der Aufstieg aus dem Tihaljinathale zum Sattel oberhalb der Tihaljinaquelle, die Strecke vom Sattel bei Stržanj gegen Šuica, von Blagaj gegen Vaganj und jene gegen Lovreč nächst Trilj in Dalmatien. Bei der letztgenannten Communication ist die römische Trace so augenscheinlich günstiger gewählt als jene der bestehenden Strasse, dass mein dalmatinischer Begleiter mich speciell hierauf aufmerksam machte.
Ich muss es bei diesen Beispielen bewenden lassen. Es würde zu weit führen, alle Parallelen zu citiren, die sich mir bei Auffindung der Römerstrassen ergaben, und die mich mit Bewunderung der genialen Traceführung dieser Strassen erfüllten.
Die Steigungsverhältnisse überschreiten allerdings jene Normen, welche gegenwärtig für Fahrstrassen nöthig erachtet werden. Selbst in solchen Fällen, wo der Strasse eine Art künstlicher Entwicklung gegeben wurde, betrug die Steigung derselben 10%, aber auch die Anwendung grösserer Steigungen bis zu 15 und 20% wurde nicht gescheut. Wir werden später sehen, dass aus diesem Detail sich ganz bestimmte Schlüsse auf die Beförderungsart der Transportmittel, welche von den Römern benützt wurden, sowie auf den Zweck der Strassen überhaupt, ziehen lassen.
Die Construction des Strassenkörpers und der Fahrbahn war je nach der Art des Terrains, durch welche die Strasse führte, verschieden. Im Allgemeinen schmiegten sich die Strassen dem Terrain an und wurden grössere Aufdämmungen und Einschnitte vermieden. An steilen Lehnen erhielten die Strassen gegen die Hangseite zu Mauern; Ueberreste von solchen lassen sich im Aufstiege aus dem Tihaljinathale zur Sattelhöhe, am Uebergang über den Prevalasattel und an anderen Orten noch erkennen.
Von Brücken konnte ich keine verlässliche Spur auffinden und muss mich daher auf die Angabe beschränken, dass die Stellen, wo die Flüsse durch Brücken übersetzt wurden, dem Volke zum Theile noch bekannt sind, wahrscheinlich in Folge einer Tradition aus jener Zeit, da noch Reste jener Bauten vorhanden waren.
Ueher die Construction der eigentlichen Fahrbahn erhalten wir Aufschluss durch eine Reihe einzelner Beobachtungen.
In jenem Terrain, wo es mir gelang, die überwiegende Mehrzahl der Strassen aufzufinden, im Karste, ist wegen des felsigen Bodens eine künstliche Festigung der Strassenbahn nicht nöthig. Hier handelt es sich nur um die Ausgleichung des zerklüfteten Bodens. Wo die hervorragenden Partien des Gesteines mit Brechwerkzeugen beseitigt werden konnten, geschah dies. Die kleineren Unebenheiten wurden durch eine Lage mehr oder weniger groben Steingerölles ausgeglichen und dieser schotterartige Körper der Fahrbahn zuweilen mit Randsteinen eingefasst. Ein Theil der Römerstrasse von Narona nach Salona (in der Nähe des Dorfes Zvirići) ist auf diese Weise hergestellt (Figur 1).
Die Breite der durch den Schotterkörper gebildeten Fahrbahn beträgt bei der vorgenannten Strasse 5 M. Gleiche Breite und Construction (mit Ausnahme der Randsteine) zeigt im Glamočkopolje ein Theil der von Halapić über die Crnagora führenden Römerstrasse.
Die aus den folgenden Abbildungen ersichtliche ausserordentliche Zerklüftung an der Oberfläche des Karstkalkes erschwerte jedoch nur zu oft die Schaffung einer regelrechten Fahrbahn. Sprengmittel, mit welchen die Beseitigung der hervortretenden festen Felsrippen leicht gewesen wäre, waren den Römern unbekannt. Nun beobachtet man sehr oft an solchen Felsstücken tief eingeschnittene Spurrillen, entweder für ein Rad allein, oder für beide. Ich möchte die Vermuthung äussern, dass man solche Rillen häufig künstlich vor der Benützung der Strassenbahn herstellte und den übrigen Theil der Felsrippe stehen liess. Figur 2, welche meiner schon erwähnten Publication im "Glasnik" (Jahrgang 1891, S. 398, Figur 1) entnommen ist, veranschaulicht in schematischer Weise diese Herstellungsart. Die in den Figuren 3, 4, 5. wiedergegebenen photographischen Aufnahmen derartiger Spurrillen stellen dieselben nach der Natur dar und zeigen einige Fälle von besonders deutlichem Vorkommen. Oftmals sind es nur ganz unscheinbare Einkerbungen im Stein, woran nichts auffällig ist als ihre scharf ausgeprägten Contouren, welche aber trotz ihrer Geringfügigkeit dem scharfen Auge der einheimischen Bevölkerung nicht entgangen sind.
Kommen die Spurrillen beiderseitig, d. h. für beide Räder ausgearbeitet, vor, so beträgt ihre Distanz von Mitte zu Mitte der Rille 1·20 bis 1·25 M. Die Breite der einzelnen Spurrillen variirt in Folge ihrer verschiedenen Abnützung durch den Wagenverkehr. An einigen Rillen, deren Contouren schärfer erhalten waren, konnte ich die Minimalbreite mit 10—12 Cm. bestimmen, etwas geringer als dieses Mass muss sonach die Felgenbreite der Wagen gewesen sein.
Die zwischen den Felsrippen befindlichen Zwischenräume waren mit losem Material, so gut es ging, ausgefüllt, beziehungsweise geebnet; allerdings ist von diesem Füllmaterial, welches längst verwachsen oder vom Wasser weggespült ist, wenig mehr zu sehen.
Unmittelbar auf das vorerwähnte, noch erhaltene Stück Fahrbahn der Römerstrasse bei Zvirići folgt eine vorstehende feste Felsrippe, welche auf einer Seite von einer Spurrille durchquert ist. Diese Erscheinung an der überdies noch durch Meilensteinreste markirten Römerstrasse liefert den vollen Beweis für die Zeitstellung und Bedeutung jener Radspuren.
Bei vielen Strassen im Karst ergab die Messung der ganzen: Strassenbahn nur eine Breite von 1·5 M. Es bedarf an zahlreichen Stellen immerhin einiger Uebung, um diese alten Wege zu erkennen, sie markiren sich aber doch deutlich genug, dass selbst meine bosnischen Begleiter dieselben bemerkten und darnach die Spurrillen suchten. Die Figuren 6 und 7 zeigen photographisch aufgenommene Bilder solcher Strassenstrecken, von welchen die erstere bei Lipa, die letztere bei Šuica gelegen ist.
Es entsteht die Frage, ob die angeführte Breite von 1·5 M. auch bei wichtigeren und stärker frequentirten Strassen, wie beispielsweise bei jener von Narona nach Salona, zur Anwendung kam, oder ob die als Hauptstrassen dienenden Verkehrslinien auch im Karstgestein eine grössere Breite erhielten.
Meine Bemühungen, diese Frage zu entscheiden, waren nur zum Theile von Erfolg. Aus der in Figur 8 dargestellten, dem erwähnten Strassenzuge angehörigen Spurrille liesse sich der Schluss ziehen, dass auch bei dieser Hauptlinie die bedeutenden Felshindernisse nur so weit ausgeglichen wurden, als nöthig war, den Verkehr eines einzigen Wagens zu ermöglichen, dass daher auch die stärker frequentirten Strassen nicht die Breite von 5 M., sondern nur jene von 1·5 M. erhielten.
Leichtes, erdiges oder versumpftes Terrain war jedenfalls durch Herstellung einer Pflasterung für den Wagenverkehr passirbar gemacht. Zu diesen Pflasterungen wurden meistens 20-30 Cm. starke, möglichst grosse Steine genommen, die Randsteine etwas zugehauen und im Uebrigen das Pflaster so dicht als möglich gefügt. Die Reste solcher Pflasterungen finden sich, meist zerstört, im westlichen Theile Bosniens und der Hercegovina.
Mit Rücksicht darauf, dass auch in späteren Zeiten derartige Pflasterungen, hierlands "Kaldrma" genannt, ausgeführt wurden, und sich die Verkehrslinien der späteren Zeiten häufig mit jenen der Römer decken, ist jedoch die Zeitstellung von Pflasterwegen stets mit grosser Vorsicht zu beurtheilen, wenn auch die in späterer Zeit entstandenen "Kaldrmas" ersichtlich aus kleineren Steinen zusammengefügt waren als das römische Strassenpflaster. Ich möchte daher auch über jene Pflasterwege, welche aus anderen Gründen römischen Ursprunges zu sein scheinen, mit meinem Urtheile vorläufig zurückhalten. Die Breite solcher "Kaldrmas" fand ich zwischen 2·0—4·0 M. schwankend, meist jedoch der geringeren Dimension angenähert.
Nach den bisherigen Wahrnehmungen scheinen die Pflasterstrassen im Karstgebiet und jene im östlichen Bosnien verschieden angelegt zu sein. Bei den ersteren bildete wahrscheinlich das Pflaster schon die Fahrbahn, bei den letzteren dürften die Unebenheiten des übrigens auch nicht so dicht gefügten Pflasters, wie bei unseren modernen Strassen, noch durch Schotter ausgeglichen worden sein. Aus Figur 9 kann die Construction des noch ganz erhaltenen Strassenpflasters einer Theilstrecke auf der Romanja planina ersehen werden.
Es ist schwer zu bestimmen, ob alle im Folgenden besprochenen Römerstrassen zur Markirung der Weglänge mit Meilensteinen versehen waren oder nicht.
Meilensteine wurden aufgefunden bei den Strassen von Grab über Petrovac ins Sanathal, vom Prolog über die Crnagora gegen Banjaluka, von Narona nach Salona, von Narona ins Sarajevsko polje, von Narona ins Nevesinjske polje, vom Sarajevsko polje über die Romanja planina ins Drinathal und endlich ein Meilenstein bei Travnik. 1)
1) Siehe das Verzeichniss am Schlusse dieser Abhandlung.
Diese Strassen sind, mit Rücksicht auf ihre Ausgangs- und Endpunkte, sämmtlich als Hauptlinien zu bezeichnen. Bei den übrigen Strassen konnte das Vorkommen von Meilensteinen bisher nicht constatirt werden. Bei vier der genannten Strassen war es möglich, die Standorte der Meilensteine, wie sie theils noch in situ vorhanden, theils erst kürzlieh entfernt worden waren, in die Generalstabskarte (Massstab 1:75.000) einzutragen, und es konnte die Entfernung derselben untereinander als eine der römischen Meile entsprechende Distanz von rund 1500 M. erkannt werden.
Die Figuren 10, 11, 12 zeigen die Form dieser Steine. Der in die Erde versenkte Untersatz war viereckig, der obere, sichtbare Theil entweder vollkommen cylinderförmig oder asymmetrisch gerundet.
Die Dimensionen der Steine stimmen bei den einzelnen Strassenzügen nicht genau überein. Bei jenen der Strasse von Salona nach Narona und von Grab über Petrovac ins Sanathal beträgt der Durchmesser des oberen, sichtbaren Theiles 40—45 Cm. Nur an der letztgenannten Strasse, wo Steine noch in situ stehen, konnte auch die Lange derselben genau gemessen und bei der Mehrzahl mit 1·55 M. bestimmt werden. An der Route Salona-Gradisca hat der einzige vollkommen erhaltene Stein Nr. 23 den Durchmesser von 40 Cm., und, ausschliesslich des in die Erde versenkten Theiles, die Höhe von 1·4 M. Die Durchmesser der übrigen Steine dieser Route variiren zwischen 35 und 40 Cm.
Wie der Anhang zeigen wird, konnten bei vielen Meilensteinen noch Reste der Inschriften entziffert werden. Bis auf die Meilensteine der Strasse von der Romanja planina ins Drinathal und jene der Strasse von Narona ins Nevesinjsko polje waren dieselben mit den Milienzahlen bezeichnet. Aus diesen Zahlen ergibt sich, dass die Vermessung der Strassen nicht durchwegs von Salona, beziehungsweise Narona ausging, sondern auch Abzweigungspunkte als Anfang der Vermessung angenommen wurden. Die Meilenzahlen der Strasse von Salona, genauer gesagt von Trilj, nach Narona, und jener von Grab über Petrovac ins Sanathal bestätigen diese Annahme.
Wie diese Schilderung lehrt, lässt die Bauart der Römerstrassen gegenüber derjenigen unserer heutigen Strassen im Karstterrain erhebliche Unterschiede erkennen.
Zweifellos haben auch auf den erstgenannten Strassen Wagen verkehrt. Diese werden aber kaum andere als zweiräderige Karren gewesen sein.
Bei der geringen Spurweite der Strassen können wohl nicht zwei Zugthiere nebeneinander Platz gefunden haben; dieselben waren vielleicht hintereinander vorgespannt. Ich kann mich jedoch des Gedankens nicht entschlagen, dass möglicherweise auch die Kraft des Menschen zur Fortbewegung der Fuhrwerke in Verwendung kam.
Es ist bekannt, dass mit dem Zunehmen der Strassensteigung die Ladungsfähigkeit der Wagen sich schnell vermindert, dass bei einer Steigung von 10 bis 20% ein Frachtenverkehr schon auf glatter Fahrbahn nur mit grossem Kraftaufwand möglich ist; um wie viel mehr erst auf solchen, nur durch die Spurrillen nothdürftig geebneten Wegen! Diese Schwierigkeit in der Fortbewegung der Strassenfuhrwerke schliesst von vorneherein aus, dass sich der gewöhnliche Frachtenverkehr im Karstlande der Fuhrwerke bediente.
Das Saumthier, wohl auch der Mensch als Träger, dürfte daher in jener Zeit und auf jenem Gebiete der Vermittler des gewöhnlichen Waarentransportes gewesen sein.
Der Wagentransport dürfte sich auf jene Gegenstände beschränkt haben, die vermöge ihres Gewichtes und Volumens nur mit Fuhrwerken fortbewegt werden konnten. Wir möchten hier in erster Linie an das Kriegsmateriale denken, welches aus den Küstenstädten seinen Weg quer durch Bosnien an die Länder der unteren Donau nahm, um dort, sowie in Bosnien und der Hercegovina selbst, der Befestigung und Erhaltung der römischen Herrschaft zu dienen.
Für diese Annahme sprechen auch die zahlreichen Befestigungen römischen Ursprungs, welche nicht allein den Verkehr auf den Strassen, sondern auch die Niederlassungen auf den fruchtbaren Hochplateaux zu schlitzen bestimmt waren.
Grundfesten solcher Fortificationen sind hierlands noch in grosser Zahl vorhanden und im Volke unter den Namen "Gradina" oder "Gradac" (Burgstelle, "Burgstall") bekannt. Wenn auch nicht gesagt werden soll, dass Alles, was diesen Namen trägt, römischen Ursprunges sei, so glaube ich doch, dass eine grosse Zahl solcher Anlagen aus der Zeit der römischen Herrschaft stammt.
Ich konnte diese Befestigungen nicht zum Gegenstande meines Studiums machen, da die verfogbare Zeit hiezu nicht ausgereicht hätte. Das consequente Vorkommen solcher Werke an allen strategisch wichtigen Punkten der aufgefundenen Strassen, wie an Fluss- oder Passubergängen, an Strassenabzweigungen oder auf dominirenden Höhen, dann die fast immer wiederkehrende Thatsache, dass im Kerne dieser schanzenartig hergestellten Befestigungen mehr oder weniger mächtige Mörtelmauern aus Stein oder Ziegeln sich vorfinden, begründen meine obige Annahme, wobei jedoch nicht unerwähnt bleiben darf, dass die Römer bei dem Bau ihrer Strassen vielfach dem Zuge älterer Verkehrswege gefolgt sind und jene "Gradine" zum Theile auch schon in vorrömischer Zeit die gleiche strassenschützende Rolle gespielt haben können. Schliesslich sei bemerkt, dass die in der Generalstabskarte verzeichneten zahlreichen Gradine die Zahl der thatsächlich vorhandenen bei Weitem nicht erreichen, indem dort nur jene aufgenommen sind, welche auf topographisch wichtigen Punkten liegen, während viele andere, ja die überwiegende Mehrzahl, unberücksichtigt blieben."